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Mobil-Telefone sind die Zigaretten des 21.Jahrhunderts

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Es dauerte fast 50 Jahre, bis die Zigarette als gesundheitsschädlich galt – passiert uns das gleiche mit EMF? In diesem Artikel erfahren Sie, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass sich elektromagnetische Strahlungen ungehindert ausbreiten konnten und welche schmutzigen Parallelen zur Tabakindustrie bestehen

Dr. Joseph Mercola Arzt und Autor von New-York-Times-Bestsellern

Wenn sich die Mobilfunk-Industrie die Strategien von der Tabakindustrie abschaut

Die Geschichte, wie elektromagnetische Felder zu einem dermaßen wichtigen Bestandteil unserer Umgebung wurden – trotz zunehmender Beweise, dass sie für den Menschen und die Umwelt schädlich sind, weist viele Gemeinsamkeiten mit der Geschichte des Tabakkonsums auf.

Die Tabakindustrie hat früher ganz ähnliche Strategien angewendet, wie die Mobilfunk-Industrie es heute tut: Alles abstreiten, zu allem schweigen, auch wenn eine überwältigende Vielzahl wissenschaftlicher Fakten belegen, dass Zigaretten dem Körper und der Gesundheit schaden. Ich glaube, wenn Ihnen erst einmal bewusst wird, wie groß die Parallelen zwischen Tabak- und Mobilfunk-Branche sind, werden Sie sehr gründlich darüber nachdenken, wie oft Sie künftig noch Ihr Handy und andere Mobilfunk-Geräte nutzen.

Wenn Sie sich ausführlich über die niederträchtigen Strategien informieren möchten, die die Tabakindustrie mit viel Erfolg und Geschicklichkeit einsetzte und die dazu führten, dass Millionen Menschen vorzeitig verstarben, empfehle ich Ihnen den umfassenden Überblick mit dem Titel „Inventing Conflicts of Interest: A History of Tobacco Industry Tactics“1, den Professor Allan M. Brandt von der Harvard University zusammengestellt hat.

Die Tabakindustrie belog die Öffentlichkeit jahrzehntelang vorsätzlich 

Bereits in den 1950er-Jahren lag eine beeindruckende Menge wissenschaftlicher Beweise dafür vor, dass das Rauchen schwere Krankheiten an Lunge und Herz verursachen kann. Dennoch dauerte es weitere 50 Jahre, bis die gesundheitlichen Bedenken so groß wurden, dass die Zahl der Raucher deutlich zurückging. Wie konnten wir dermaßen lange im Dunkeln tappen? 

Ihre Vorgaben erhielten die Tabakunternehmen während dieser ganzen Zeit von Hill & Knowlton Strategies, jener PR-Firma, die sie in den 1950er- Jahren mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit beauftragt hatten. Anstatt das im Vorhinein verlorene Spiel der Faktenleugnung zu spielen, entwickelte Hill & Knowlton geniale Strategien, von denen sich die Mobilfunk-Branche später einiges abschauen sollte. Sehen wir uns ein Dokument von damals an, das der Öffentlichkeit zugespielt wurde und zeigt, welche Ziele der Zigarettenhersteller Brown & Williamson verfolgte.2 Die Stichpunkte sind ausgesprochen aufschlussreich: 

Ziel Nr. 1: 

In den Köpfen von Millionen muss die falsche Überzeugung zerstreut werden, dass der Genuss von Zigaretten Lungenkrebs und andere Krankheiten nach sich zieht. Diese Überzeugung basiert auf fanatischen Annahmen, verleumderischen Gerüchten, haltlosen Behauptungen und den unwissenschaftlichen Aussagen und Spekulationen von Opportunisten, die sich ins Rampenlicht drängen wollen.

Ziel Nr. 2:

Der Zusammenhang zwischen Zigarette und Krebs ist schnellstmöglich zu unterbinden. Die Zigarette muss in den Köpfen der Männer und Frauen, die sich in der freien amerikanischen Marktwirtschaft bewegen, wieder den ihr zustehenden würdevollen und akzeptierten Platz einnehmen. 

Ziel Nr. 3: 

Es muss deutlich gemacht werden, dass der unglaubliche, beispiellose und ruchlose Angriff auf die Zigarette die größte Verleumdung und Rufschädigung darstellt, der ein Produkt in der Geschichte der freien Marktwirtschaft jemals ausgesetzt war. […]

Ziel Nr. 4:

Das Grundmuster der heimtückischen und fortschreitenden Angriffe auf Amerikas System der freien Marktwirtschaft muss aufgedeckt werden. Diese düstere Formel untergräbt langsam die amerikanische Geschäftswelt, und die Zigarette ist offenkundig als eines der Versuchsziele ausgewählt worden.

Die Firmen finanzieren verzerrte Forschung

Die Branche bezahlte Wissenschaftler direkt dafür, Studien durchzuführen. So konnte sie sich Forscher herauspicken, die ohnehin dazu neigten, an die Unschädlichkeit von Zigaretten zu glauben. Dadurch sorgten die Tabakkonzerne außerdem für Interessenkonflikte, denn selbst unvoreingenommene Forscher können sich davon beeinflussen lassen, dass sie ihre Geldgeber bei guter Laune halten wollen. Im Jahr 1997 beispielsweise führten Wissenschaftler des Washington College im US-Bundesstaat Maryland 91 Studien durch, bei denen es um eine mögliche Verbindung zwischen Tabak und kognitiven Leistungen ging. Dabei stellte sich heraus, dass jene Studien, die finanziell von der Tabakindustrie unterstützt worden waren, zu deutlich anderen Schlussfolgerungen gelangten als die, bei denen kein Geld geflossen war. Die Autoren der Vergleichsstudie schrieben: 

„Unsere Analyse zeigt: Forscher, die von der Tabakindustrie unterstützt wurden, gelangten mit einer spürbar höheren Wahrscheinlichkeit zu einem Ergebnis, das zugunsten der Tabakindustrie ausfiel, als diejenigen Forscher, die ohne Unterstützung der Branche auskamen.“3 

Indem sie massiv Studien auf den Markt warfen, konnten die Tabakunternehmen behaupten, es gäbe keine eindeutigen Erkenntnisse, was die gesundheitlichen Folgen des Tabakkonsums angehe, während sie sich gleichzeitig als jemand präsentieren konnten, dem das öffentliche Wohl sehr am Herzen liegt.4

Bereits 1964 kam der amerikanische Generalarzt in einem Bericht, für den 7.000 Artikel über den Zusammenhang von Rauchen und Krankheiten überprüft worden waren, zu dem Schluss, dass Zigarettenrauch bei Männern Lungenkrebs und Kehlkopfkrebs verursacht und bei Frauen wahrscheinlich Lungenkrebs. 

Dennoch führte dieser Bericht nicht dazu, dass die Regierung neue Bestimmungen erließ oder die Nachfrage nach Tabak nachließ, sondern die Tabakindustrie nahm diesen Report zum Anlass, noch mehr Studien zu finanzieren. Diese Vorgehensweise hatte einen weitreichenden und langanhaltenden Sekundäreffekt, denn sie weckte Zweifel an der Wissenschaft selbst. Der Forschungsbereich wurde zum Schlachtfeld im PR-Krieg, und mit diesem Schritt schuf die Tabakindustrie einen zerstörerischen Präzedenzfall, der später bei Debatten um Themen wie Lebensmittel, globale Erwärmung oder Arzneimittel zum Tragen kommen sollte.5 Und ja, auch bei den Diskussionen um elektromagnetische Felder.

Millionenzahlungen für die Gesetzgeber

Hill & Knowlton überzeugte seine Tabakkundschaft, eine eigenständige Organisation ins Leben zu rufen, die Lobby-Arbeit bei Gesetzgebern und Kartellbehörden betreiben und auf branchenfreundliche Regeln dringen würde. So wurde 1958 das Tobacco Institute gegründet, das rasch zu einer der mächtigsten und finanzstärksten Lobbygruppen in Washington aufstieg. Dank dieser ihrer Lobby-Organisation konnte sich die Branche bei der Regierung eine Vorzugsbehandlung erkaufen, ohne dabei den Eindruck zu erwecken, genau das zu tun – schließlich handelte es sich ja um eine völlig eigenständige Einrichtung, nicht wahr?

Mehr als 40 Jahre lang sollte das Tobacco Institute aktiv sein. Über vier Jahrzehnte lang konnte sich die Tabakindustrie der Haftung und ernsthaften Regulierung entziehen. Im März 1997 – erst 30 Jahre nachdem das Rauchen in einen starken Zusammenhang mit dem dramatischen Anstieg der Lungenkrebserkrankungen gebracht worden war – räumte mit der Liggett Group, der kleinste der fünf führenden amerikanischen Zigarettenhersteller, endlich ein, dass Rauchen Krebs verursacht.6

Die anderen Tabakkonzerne zogen kurz darauf nach. Das Schuldeingeständnis trug entscheidend dazu bei, dass in der öffentlichen Meinung ein Umdenken in Gang kam. So hatte die Regierung bereits 1965 die Zigarettenhersteller dazu verpflichtet, Warnhinweise auf den Packungen abzudrucken. Zwar rauchten damals 45 Prozent der Amerikaner, dennoch führten die Warnungen keineswegs dazu, dass der Anteil sank. Erst 1977 ging der Anteil der Raucher auf 36 Prozent zurück und 1989 sank er dann erstmals unter 30 Prozent. 2018 rauchten so wenige Amerikaner wie nie zuvor – 16 Prozent.7 

Das Tragische an diesem Abstecher in die Geschichte ist, wie viele Menschenleben verloren wurden. Selbst die konservative US-Gesundheitsbehörde CDC schätzte im November 2018, dass in den Vereinigten Staaten Jahr für Jahr nahezu eine halbe Million Menschen an ihrem Zigarettenkonsum sterben, obwohl sich der Prozentsatz der Raucher gegenüber früher mehr als halbiert hat.8 Insofern lässt sich guten Gewissens behaupten, dass in den USA Dutzende Millionen Menschen unnötig gestorben sind, weil die Tabakindustrie 50 Jahre lang alle Vorwürfe abgestritten hat. Weltweit reden wir über viele Hundert Millionen Menschenleben.

Interessenkonflikte 

Man könnte meinen, dass sich die Mobilfunkindustrie sehr genau angesehen hat, mit welchen Strategien die Tabakbranche über 50 Jahre lang erfolgreich bestritten hatte, dass von ihren Produkten gesundheitliche Risiken ausgingen. Und tatsächlich haben viele große Namen der Mobilfunkindustrie in den vergangenen zwei Jahrzehnten die Dienste von Hill & Knowlton in Anspruch genommen, darunter Motorola und Virgin Mobile sowie eine ganze Reihe weiterer Technologiefirmen aus der Branche. 

In dieser Zeit haben Telekommunikationsunternehmen auch regelmäßig Studien finanziert, die sich mit den gesundheitlichen Risiken ihrer Mobilfunkgeräte befassten – genauso, wie es zuvor die Tabakfirmen für ihre Produkte getan hatten. Nach außen hin scheint es sich um ein Vorgehen zu handeln, das zum Schutz des Verbrauchers gedacht ist.

Doch wissen wir inzwischen, dass dann, wenn ein Unternehmen in Studien seine eigenen Produkte untersuchen lässt, ein mächtiger Interessenkonflikt entsteht, der die Resultate der Studien zugunsten derjenigen verzerrt, die das Geld für die Studie bereitgestellt haben.9

Massive Anstrengungen, positive Studien anfertigen zu lassen, unternahm ab 1994 der Mobilfunk-Branchenverband CTIA, der damals von Tom Wheeler geleitet wurde (diesen Namen sollten wir uns merken, denn er stieg 2013 zum Vorsitzenden der FCC auf). Vorausgegangen war eine Klage von David Reynard gegen den Mobiltelefonhersteller NEC Corporation of America. 

Ende 1993 war Reynard zu Gast in der Fernsehsendung Larry King Live gewesen, wo er erzählte, dass seine Frau regelmäßig ein Mobiltelefon von NEC verwendet und einen Gehirntumor bekommen hatte, an dem sie schließlich verstarb. Für Reynard war ganz klar, dass es eine Verbindung zwischen der Handynutzung und der Krebserkrankung gab, und er forderte eine Verbesserung der Sicherheitsmaßnahmen. Seine Geschichte schlug starke Wellen, und die Aktien von Telekomunternehmen sausten in den Keller. 

Die CTIA erwählte Dr. George Carlo dazu, ein Gegen-Narrativ zu entwerfen. Carlo war bekannt dafür, dass seine Studien industriefreundliche Ergebnisse zeitigten, und so wurde er zum Gründervater von Wireless Technology Research (WTR) gekürt, einer von der Branche finanzierten Forschungseinrichtung. 

Bevor er WTR übernahm, hatte Carlo Untersuchungen zur Sicherheit von Brustimplantaten sowie der Belastung mit geringen Mengen Dioxin angestellt. In beiden Fällen unterstützte ihn dabei die jeweilige Branche finanziell, und in beiden Fällen stellte er nur minimale oder gar keine gesundheitlichen Risiken fest. 

Die CTIA dürfte Carlo für die perfekte Wahl gehalten haben, die Mobilfunk-Industrie bei ihren Bemühungen zu unterstützen, das Wasser zumindest zu trüben, wenn es schon nicht gelang, wissenschaftliche Erkenntnisse bezüglich der Schädlichkeit ihrer Produkte völlig zu widerlegen. 

Doch es sollte anders kommen, denn Carlo warnte die Manager der Mobilfunk-Branche vor den Risiken, die von ihren Produkten ausgingen. 27 Millionen Dollar ließ die Branche Carlo in den späten 1990er- und frühen 2000er-Jahren zukommen, damit er die gesundheitlichen Risiken elektromagnetischer Felder untersuchte – und Hunderte widersprüchlicher Studien entstanden während dieser Zeit. Ironischerweise verlor Carlo mit der Zeit seine Illusionen. 2007 räumte er in einem Papier ein, dass die Strategie der Branche darin bestünde, „risikoarme Studien zu finanzieren, bei denen ein positiver Ausgang gewiss war, und mithilfe dieser Studien Medien und Öffentlichkeit einzureden, dass sich Mobiltelefone als sicher erwiesen haben, auch wenn die tatsächliche Forschung nichts Derartiges bewiesen hatte“.10

Andere Forscher gelangten um diese Zeit herum zu ähnlichen Schlussfolgerungen. Einer davon war Henry Lai, Professor für Bioengineering an der Universität Washington. Er hatte festgestellt, dass eine Strahlenbelastung, die derjenigen ähnelte, die von Mobiltelefonen abgesondert wird, das Erbgut schädigen kann. 

2006 untersuchte Lai 326 Studien aus den Jahren 1990–2006, die der Frage nachgegangen waren, wie sicher die von Mobiltelefonen emittierte Strahlung ist. 

Er stellte fest, dass 44 Prozent der Studien keine schädlichen Auswirkungen feststellten, 56 Prozent hingegen schon. Und jetzt wird es interessant: Lai stufte die Studien danach ein, wer sie finanziert hatte, und kam damit zu einem völlig anderen Bild. 67 Prozent der unabhängig finanzierten Studien stellten schädliche Auswirkungen fest, bei den von der Branche finanzierten Studien hingegen waren es nur 28 Prozent.11

Diese bahnbrechende Erkenntnis brachte andere dazu, sich ausführlicher mit der Beziehung zwischen Finanzierung und Ergebnissen auseinanderzusetzen. Im Jahr 2008 nahmen sich Schweizer Forscher um Dr. Anke Huss 59 Studien vor, bei denen es um die biologischen Folgen einer Belastung mit Mobilfunk-Strahlen ging. Ihr Ergebnis war, dass 82 Prozent der vom Staat und anderen unabhängigen Einrichtungen finanzierten Studien negative Auswirkungen feststellten, bei den von der Branche finanziell unterstützten Arbeiten dagegen waren es nur 33 Prozent.12

Die Botschaft von der wissenschaftlichen Uneinigkeit verbreiten 

Angenommen, man hat hundert Studien zur Sicherheit von Mobiltelefonen durchgeführt und fünfzig davon finden keinerlei negative Ergebnisse (meistens handelt es sich dabei um von der Wirtschaft finanzierte Studien), während die anderen fünfzig zum gegenteiligen Resultat kommen. Dann können die Mobilfunk-Unternehmen behaupten:

»Die Wissenschaft kommt zu keinem eindeutigen Schluss.« Dabei sieht es in Wahrheit ganz anders aus, wenn man sich die Untersuchungen ansieht, die nicht von der Wirtschaft finanziert wurden. 

Lobby-Arbeit

Die Tabakindustrie hatte das Tobacco Institute als Lobby-Vereinigung, um sich bei den Politikern für die Belange der Zigarettenhersteller einzusetzen, ihr entsprechen in der Telekombranche die CTIA und die National Cable & Telecommunications Association (jetzt NCTA: The Internet & Television Association). 

In Washington ist die Versuchung allgegenwärtig, denn hier geben die gut betuchten Lobby-Arbeiter und Branchenvertreter die besten Partys und laden zu den feinsten Abendessen. Hinter ihnen stehen Industriezweige mit tiefen Taschen, deshalb können die Lobbyisten Einfluss nehmen auf bereits im Amt befindliche Parlamentarier, auf Kandidaten, die sich um ein Amt bewerben, und auf staatliche Bedienstete in den Behörden, die für die Regulierung des Telekommunikations-Sektors zuständig sind. 

Es ist vor allem der Lobby-Arbeit zu verdanken, dass die Vereinigten Staaten 1996 ein Telekommunikations-Gesetz verabschiedeten, das der Mobilfunk-Industrie gewaltige Zugeständnisse machte, wohingegen die Öffentlichkeit praktisch jedes Mitspracherecht zu Aufbau und Ausbau der Mobilfunk-Infrastruktur einbüßte. In Abschnitt 322(c) (7) (B) (iv) heißt es unter anderem: 

„Keine staatliche oder kommunale Regierung und kein ihr zugehöriges Instrument darf aufgrund der Umweltfolgen von Funkfrequenz-Emissionen die Platzierung, den Bau und die Modifizierung privater Mobilfunk-Anlagen reglementieren, sofern diese Anlagen die von der Kommission verabschiedeten Auflagen bezüglich derartiger Emissionen erfüllen.“13

Als Folge davon hatte die Branche von der Regierung praktisch einen Freifahrt-Schein erhalten, ihre Sendemasten überall dort zu errichten, wo es ihr passte. Schuldächer, Spielplätze, Kirchtürme, Wassertürme, Bäume – alles war recht, sofern es dafür geeignet war, einen Sendemast aufzunehmen. 

Für die Mobilfunk-Industrie war das ein gewaltiger Sieg, und der ist direkt auf die enorme Lobby-Arbeit zurückzuführen, die im Vorfeld geleistet wurde und die Berichten zufolge die Branche geschätzte 50 Millionen Dollar gekostet hat.14

Larry Pressler, damals republikanischer Senator für North Dakota, sprach davon, dass bei keinem anderen Gesetzentwurf jemals so viel Lobby-Arbeit geleistet worden sei. Denjenigen Kongressmitarbeitern, die den Lobbyisten beim Verfassen dieses neuen Gesetzes behilflich gewesen waren, wurden ihre Mühen sehr großzügig vergolten – und dreizehn von fünfzehn Mitarbeiter wurden später selbst Lobbyisten.15

Der Wissenschaftler Dr. Joel Moskowitz von der School of Public Health an der University of California in Berkeley erklärte 2019 in einem Interview, dass die Mobilfunk-Branche mittlerweile mehr als 100 Millionen Dollar jährlich für Lobby-Arbeit ausgebe.16

Die FCC wird vereinnahmt 

Der Mobilfunk-Industrie ist etwas gelungen, was Big Tobacco nicht erreicht hat, denn mit ihrem Geld und ihrem Einfluss hat sie es geschafft, dass Regierungspositionen, in denen über die Regulierung ihrer Produkte entschieden wird, mit ihr wohlgesonnenen Leuten besetzt werden. Das gilt insbesondere für die Federal Communications Commission (FCC). 

Die meisten Menschen glauben, dass Aufsichtsbehörden wie die Food & Drug Administration (FDA), die Environmental Protection Agency (EPA) und die FCC mit unparteiischen Fachleuten besetzt sind, die beim Prüfen eine Führungsrolle übernehmen und für die beim Festlegen von Sicherheitsstandards die Belange der öffentlichen Gesundheit an allererster Stelle stehen. Doch das ist sehr oft nicht der Fall. 

Üblicherweise bauen die Regierungsbehörden darauf, dass die Forschungsgemeinde Ergebnisse liefert, die sie dann lediglich auswerten, um über Reglementierungen zu entscheiden. Und nun raten Sie mal, wer den Großteil der Forschung finanziert, die entscheidend dazu beiträgt, wie die Bestimmungen zur Produktsicherheit auszusehen haben? Ganz genau, es sind exakt jene Branchen, die die betreffenden Produkte herstellen. Als vereinnahmte Behörde ist die FCC ein hervorragendes Beispiel für institutionelle Korruption. 

Korruption heißt hier nicht, dass in der Führungsetage Umschläge voller Geldscheine eingehen, sondern dass das regulatorische System privatwissenschaftliche Einflussnahme dermaßen stark begünstigt, dass selbst besonders gut gemeinte Anstrengungen, Gesellschaft und Umwelt zu schützen, häufig im Sand verlaufen, und zwar üblicherweise zulasten des öffentlichen Interesses. Ein gründlicher Blick auf die Handlungen (und unterlassenen Handlungen) der FCC zeigt, dass diese Behörde der Mobilfunk-Industrie im Laufe der Jahre praktisch alle Wünsche erfüllte. Indem die Mobilfunk-Industrie den Kongress in einen allumfassenden Würgegriff genommen hat, kontrolliert sie auch die FCC. Sie überlegt sich sehr genau, welchen Abgeordneten sie Wahlkampfspenden zukommen lässt, hat starken Einfluss auf den Ausschuss des Repräsentantenhauses, der die FCC kontrolliert, und betreibt unablässig Lobby-Arbeit. 

2019 erschien in der britischen Zeitung The Guardian ein Artikel, wonach 51 amerikanische Senatoren und/oder ihre Ehepartner Aktien der Unternehmen halten, die sie regulieren sollen. Und von keinem anderen Unternehmen besitzen republikanische Senatoren mehr Anteile als von der Wireless Telecom Group. Wir reden hier über Aktien im Wert von rund 3 Millionen Dollar. Auf Rang zwei liegt Apple, ein Unternehmen, an dem Republikaner Aktien im Wert von nahezu 1,5 Millionen Dollar und demokratische Senatoren von knapp 1 Million Dollar halten. In dem Artikel heißt es: 

„Für Mitglieder des US-Kongress ist es nicht illegal, mit ihrem Privatvermögen in die Branchen zu investieren, für deren Gesetze sie zuständig sind. Aber derartige Investitionen werfen Fragen bezüglich der Motive der Parlamentarier auf.“ 

Wenn ein Abgeordneter im Ausschuss des Repräsentantenhauses zu Finanzdienstleistungen Aktien der Bank of America im Wert von mehreren 100.000 Dollar hält, stellt sich die Frage, wie sich diese Aktienbeteiligung bei einer Befragung des Chefs der Bank of America im Rahmen einer Anhörung auswirkt. Könnte es einen Einfluss darauf haben, wie Gesetze zur Banken-Regulierung formuliert werden und wie darüber abgestimmt wird?17

In dem Netz, das die Mobilfunk-Branche gesponnen hat, haben sich der Kongress, seine Aufsichtsgremien und das gesellschaftliche Leben Washingtons verfangen. Ein reibungslos funktionierendes Dreh-Türsystem verknüpft darin den öffentlichen Sektor und die Privatwirtschaft eng miteinander. 

FCC-Vorsitzende wie Tom Wheeler (2013–2017) und Ajit Pai (der das Amt 2017 übernahm) haben unmittelbar für die Branche gearbeitet, mit deren Aufsicht sie dann beauftragt wurden. Pai war früher Chefjustiziar von Verizon, Wheeler war CEO der CITA und Präsident der NCTA. Wie die Mobilfunk-Industrie Einfluss auf Regierungspolitik nimmt.

Der steinige Weg von „potenziell krebserregend“ bis „wahrscheinlich krebserregend“

Im Jahr 1992 verabschiedete der Kongress das Gesetz »Energy Policy Act«, in dem unter anderem Mittel für eine 5-jährige Untersuchung der möglichen Gesundheitsrisiken elektromagnetischer Felder bereitgestellt wurden. Verantwortlich für diese Untersuchung war eine Gruppe von nahezu dreißig Wissenschaftlern, die das National Institute of Environmental Health Sciences ausgewählt hatte. 1998 legte das NIEHS einen 532 Seiten langen Bericht vor, in dem die Experten mit neunzehn zu neun Stimmen dafür plädierten, elektromagnetische Felder als »möglicherweise karzinogen« einzustufen.18

Erneut wurde Kritik an dem Bericht laut, erneut wurden in größerem Rahmen Mittel für eine weitere Forschungsarbeit bereitgestellt. 2000 begann die zur Weltgesundheitsorganisation WHO gehörende Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) in dreizehn Ländern mit der auf 10 Jahre angelegten und 30 Millionen Dollar teuren Interphone-Studie. Dabei wurde ganz speziell untersucht, ob und wie sich die Strahlung von Mobiltelefonen auf die Entwicklung von Gehirntumoren auswirkt. Als die Ergebnisse der Interphone-Studie endlich (Jahre hinter dem Zeitplan liegend) veröffentlicht wurden, schienen die Forscher für Mobilfunk-Nutzer insgesamt kein erhöhtes Gehirntumor-Risiko festgestellt zu haben. Und auf diesen Aspekt konzentrierte sich der Großteil der Mainstream-Medien bei ihrer Berichterstattung. 

Was die Forscher allerdings durchaus erkannt hatten, war ein bei »Vielnutzern« nach 10 Jahren Mobiltelefon-Nutzung schätzungsweise 80 Prozent höheres Risiko von Gliomen, einer lebensgefährlichen und häufig tödlich endenden Form von Gehirntumor. 

Und wie definierten die Autoren der Studie einen Vielnutzer? Als jemand, der sein Handy ungefähr 2 Stunden nutzte – im Monat! 

In der Zeit, in der diese Studie durchgeführt wurde (1999–2004), war die Mobiltelefon-Nutzung noch nicht dermaßen explodiert wie heute. 

Doch diese wichtige Erkenntnis sorgte außer bei der IARC kaum für Aufmerksamkeit. Sie lud im Mai 2011 insgesamt 31 Wissenschaftler aus vierzehn Nationen zu einer Arbeitsgruppe ein. Das Gremium sichtete sämtliche zur Verfügung stehende wissenschaftliche Literatur und achtete dabei ganz besonders auf Studien, die untersuchten, welche Folgen der Kontakt von Verbrauchern mit Mobiltelefonen hatte, welche Folgen der berufsbedingte Kontakt mit Radar und Mikrowellen hatte oder welche Folgen die Belastung durch Radio-, Fernseh- und Mobilfunksignale aus der Umwelt mit sich brachte. 

Im Rahmen dieser Übersichtsarbeit war die Interphone-Studie ebenso ein Thema wie eine Studie, die der führende Gehirntumor-Experte Lennart Hardell veröffentlicht hatte, Professor für Onkologie und Krebsepidemiologie am Universitätskrankenhaus im schwedischen Ørebro. Dr. Hardell hatte festgestellt, dass sich nach 10 Jahren Mobilfunk-Nutzung das Risiko, an einem Gehirntumor zu erkranken, je nach Art des Tumors verdoppelt oder sogar verdreifacht hatte.19

Mobilfunk-Strahlung fällt damit in dieselbe Kategorie wie beispielsweise das Unkrautvernichtungsmittel DDT, Blei, die Abgase von Benzinmotoren, brennende Kohle sowie Chemikalien, die bei chemischer Reinigung zum Einsatz kommen. 

Vor allem als Reaktion auf diese Übersichtsarbeit gelangte die Internationale Agentur für Krebsforschung schließlich zu der Einschätzung, dass die Belastung durch Mobilfunk-Strahlung »möglicherweise für Menschen karzinogen« ist, und stufte sie in der Kategorie 2B ein. Mobilfunk-Strahlung fällt damit in dieselbe Kategorie wie beispielsweise das Unkrautvernichtungsmittel DDT, Blei, die Abgase von Benzinmotoren, brennende Kohle sowie Chemikalien, die bei chemischer Reinigung zum Einsatz kommen. Wenn es darum geht, festzustellen, dass Mobilfunk-Strahlung Schaden anrichten kann, war dies ein wichtiger Schritt, aber die IARC ging nicht so weit, Mikrowellenstrahlung und elektromagnetische Felder in die Kategorie 2A (»wahrscheinlich karzinogen«), also eine Stufe gefährlicher einzuordnen.

Seit damals hält sich US-Regierung eher bedeckt, wenn es darum geht, die Öffentlichkeit über die Gefahren der Nutzung von Mobiltelefonen aufzuklären. 2014 aktualisierte die Gesundheitsbehörde CDC ihre Website, wo es nun heißt: „Wir empfehlen einen zurückhaltenden Umgang mit Mobiltelefonen.“ Nur wenige Wochen später wurde diese Formulierung allerdings wieder entfernt, genauso wie der Text, in dem ausdrücklich vor den erhöhten gesundheitlichen Risiken für Kinder gewarnt wurde.20

Die beständigste Stimme der Vernunft bei diesem Thema ist die der wissenschaftlichen Gemeinde. 2015 verfassten 190 EMF-Fachleute aus 39 Ländern einen an die Vereinten Nationen gerichteten „Internationalen Appell“. Darin fordern sie die Weltgesundheitsbehörde auf, „bei der Entwicklung von EMF-Richtlinien, die tatsächlich einen wirksamen Schutz gewähren …, in effektiver Weise die Führung zu übernehmen“.21 Der inzwischen verstorbene Dr. Martin Blank stellte als Sprecher den Appell vor:

„Wir sind Wissenschaftler, die sich mit der Untersuchung biologischer und gesundheitlicher Wirkungen nichtionisierender elektromagnetischer Felder (EMF) befassen. Basierend auf den von Experten begutachteten Publikationen sind wir im Hinblick auf die allgegenwärtige und stetig zunehmende Exposition gegenüber EMF, die von Elektroanlagen und Funkgeräten ausgehen, in großer Besorgnis.“

Die Geschichte wiederholt sich

Die Geschichte lehrt uns, dass das Eingeständnis, dass von elektromagnetischen Feldern möglicherweise gesundheitliche Risiken ausgehen, nicht von alleine gegeben werden wird. Es bedarf beträchtlichen juristischen Drucks, und es könnten Jahrzehnte ins Land gehen, bis eine umfassende Verhaltensänderung eingetreten ist.

In vielen bekannten Filmen und Fernsehserien des 20. Jahrhunderts rauchten die Darsteller wie die Schlote – Marlon Brando in Endstation Sehnsucht, James Dean in Denn sie wissen nicht, was sie tun oder die Darsteller aus der Fernsehserie The Twilight Zone, deren rauchender Erzähler Rod Serling am Ende an Lungenkrebs stirbt. Sieht man sich diese Sendungen heutzutage an, wirkt das Rauchen merkwürdig – Zeitmarke einer anderen Ära, als noch sehr viel Ignoranz herrschte, was die gesundheitlichen Gefahren des Rauchens anbelangte.

Vielleicht wird es irgendwann in zwei oder drei Jahrzehnten genauso merkwürdig aussehen, wenn man Bilder sieht, auf denen alle auf ihre Mobiltelefone starren. Vielleicht wird dieses Buch dazu beitragen, dass diese Zukunft rascher zur Gegenwart wird und dass es nicht wie bei den Zigaretten verläuft, wo erst 5 Jahrzehnte ins Land gehen mussten, bis sie ihren Reiz einbüßten. 

Sehen Sie sich an, mit welchen Mechanismen elektromagnetische Felder Schäden verursachen und mit welchen Krankheiten die Wissenschaft EMF in Verbindung bringt. Ich bin überzeugt, dass Sie im Anschluss der Meinung sein werden, dass elektromagnetische Felder gemeinsam mit Zigaretten in Gruppe eins der karzinogenen Stoffe gehören. Es gibt allerdings starke Argumente, die dafür sprechen, dass elektromagnetische Felder sogar noch schädlicher sind als Zigaretten. 

Ob und wie man sich Zigarettenrauch aussetzt, hat jeder von uns größtenteils selbst in der Hand. Doch das gilt nicht für EMF-Strahlung, denn die wird von einer allgegenwärtigen Infrastruktur in Form von Mobiltelefonen, Stromkabeln, elektrischen Leitungen, WLAN-Routern und Sendemasten produziert. 

Gilt dieselbe 50-Jahre-Zeitleiste wie beim Aufstieg und Untergang der Zigaretten, würde dies bedeuten, dass irgendwann zwischen 2045 und 2050 endlich eine genauso überwältigende Flut an Beweisen über die Mobilfunk-Branche hereinbricht, wie es 1998 bei der Tabakindustrie der Fall war. 

Wie viele Menschen werden im Laufe dieser Jahrzehnte aufgrund ihrer EMF-Strahlenlast erkranken oder sogar sterben? Dabei muss man berücksichtigen, dass es ähnlich wie beim Rauchen Jahrzehnte dauern kann, bis sich die Schäden zeigen. Insbesondere Gehirntumore entstehen manchmal erst im Verlauf von 40 Jahren. 

Zweifel ist deren Geschäft

„Zweifel ist unser Geschäft“ lautet die treffende Zusammenfassung dieser Strategie. Geschrieben hat diesen Satz 1969 ein Manager von Brown & Williamson, damals ein großer Tabakkonzern, in einem internen Memorandum. 22 Zweifel ist auch das Geschäft der Mobilfunk-Industrie. 

Die Mobilfunk-Branche hat von Big Tobacco gelernt, dass sie die Vorstellung, ihre Produkte könnten gesundheitliche Risiken mit sich bringen, gar nicht widerlegen muss. Es reicht, wenn sie genügend abweichende Beweise vorlegt, sodass sich die Verbraucher in einem falschen Gefühl der Sicherheit wiegen können. Diese Taktik sichert nicht nur den Umsatz, mit ihr lassen sich auch regulatorische Einschränkungen vermeiden und man kann die Schuld an Krankheiten oder Todesfällen von sich weisen. 

Während die Welt darauf wartet, dass die Beweislage eindeutig wird, dienen Sie, Ihre Angehörigen und unsere gesamte Gesellschaft als Versuchskaninchen in einem Experiment, das imstande ist, künftigen Generationen möglicherweise unüberwindbare gesundheitliche Belastungen aufzubürden. 

Genau wie die Tabakindustrie vor ihr wird die Mobilfunk-Industrie ihre Strategie beibehalten und behaupten, dass es in der Wissenschaft keinen Konsens gibt und wir weiterführende Forschung brauchen. Sie wird weiterhin sämtliche Verbindungen zwischen ihren Produkten und Krebserkrankungen zurückweisen, während die Menge an gegenteiligen Beweisen langsam und stetig zunimmt – genauso, wie es beim Rauchen der Fall war.

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